Polygamie im Judentum und im Christentum
Beschreibung: Die Geschichte der Polygamie und ihres legalen Status in den Religionen des Judentums und Christentums.
- von IslamReligion.com
- Veröffentlicht am 02 Jun 2008
- Zuletzt verändert am 02 Jun 2008
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Polygamie ist keine Praxis, die nur auf die Religion des Islam beschränkt ist; sondern sie ist vielmeher etwas Wohlbekanntes auch in der Geschichte der Leute der Schrift, der Juden und Christen. Erst in der letzten Zeit haben ihre religiösen Männer sie missbilligt und für Unrecht erklärt. Wenn man allerdings die frühe Geschichte der Religionen betrachtet, findet man heraus, dass es sich zumindest um eine akzeptierte Praxis handelt, wenn nicht sogar um eine empfohlene.
Polygamie im Judentum
Polygamie existierte unter den Israeliten lange vor der Zeit Moses, der diese Einrichtung fortsetzte, ohne eine Begrenzung für die Anzahl der Ehen, die ein Hebräer eingehen durfte, festzulegen. Die Jüdische Enzyklopädie stellt fest:.
Während es keine Beweise für polyadrische Zustände in der primitiven jüdischen Gesellschaft gibt, scheint Polygamie eine weitverbreitete Einrichtung gewesen zu sein – von der frühesten Zeit bis hin zu vergleichsweise modernen Zeiten.[1]
Eine andere verbreitete Praxis war das Nehmen von Konkubinen.[2] In späteren Zeiten, dem Talmud von Jerusalem, wurden Einschränkungen in der Anzahl von Ehefrauen gemacht, die ein Mann ordentlich unterhalten kann. Manche Rabbiner legten fest, dass ein Mann nicht mehr als vier Ehefrauen nehmen darf. Polygamie wurde im Judentum schließlich von den Rabbis verboten, nicht von Gott. Von Rabbi Gershom ben Judah wird geglaubt, dass er die Polygamie im 11. Jahrhundert für die osteuropäischen Juden (Ashkanazi) für die nächsten tausend Jahre verbot (endete 1987). Die mediterranen (Sephardischen) Juden behielten die Polygamie bei.[3] Dementsprechend, nach Will Durant: "Praktizierten die reichen Juden in islamischen Ländern Polygamie, während sie unter den Juden in christlichen Ländern selten vorkam."[4] Gemäß Joseph Ginat, Professor für Gesellschaftliche und kulturelle Anthropologie an der Universität von Haifa, ist es unter den 180.000 Beduinen Israels eine gewöhnliche und sogar anwachsende Praxis. Auch unter den mediterranen Juden, die im Jemen leben, kommt es häufig vor, die Rabbis erlauben den Juden bis zu fünf Frauen zu heiraten.[5] Im modernen Israel gibt der Rabbi dem Ehemann das Recht, eine zweite Frau zu heiraten, ohne die erste scheiden zu lassen, wenn sie keine Kinder mehr bekommen kann oder unter einer geistigen Erkrankung leidet."[6]
Polygamie im Christentum
Jesus, der anderswo die Polygamie übersah, ist als Beispiel für Heiratsbräuche nicht relevant, da er selbst in seiner Mission auf der Erde nicht geheiratet hat. Laut Vater Eugene Hillman: "Nirgendwo im Neuen Testament gibt es einen besonderen Hinweis darauf, dass die Ehe monogam sein soll oder ist gar ein Verbot der Polygamie zu finden."[7] Die Kirche in Rom verbannte die Polygamie, um sich der griechisch-römischen Kultur anzupassen, welche nur eine Ehefrau für rechtens erklärte, aber Konkubinen und Prostitution erlaubte.[8]
Der römische Eroberer, Valentinian I, erlaubte den Christen im vierten Jahrhundert zwei Frauen zu nehmen. Im achten Jahrhundert lebte Karl der Große, der Macht über Kirche und Staat besaß, selbst polygam: er hatte sechs oder laut mancher Quellen auch neun Frauen.[9] Gemäß Joseph Ginat, dem Verfasser von Polygame Familien in der gegenwärtigen Gesellschaft, missbilligte die katholische Kirche diese Praktiken, erlaubte aber gelegentlich eine zweite Heirat für Politische Führer.[10]
St. Augustine scheint darin keine wesentliche Unsittlichkeit oder Sündigkeit gesehen zu haben, und erklärte, dass Polygamie kein Verbrechen darstelle, wo es sich um eine legale Einrichtung in eines Landes handle.[11] Er schrieb in The Good of Marriage (Kapitel 15, Paragraph 17), dass Polygamie…
… bei den Urvätern erlaubt war: ob sie jetzt immer noch erlaubt ist, würde ich nicht so übereilt sagen. Denn heutzutage besteht nicht Derselbe Bedarf daran, viele Kinder zu bekommen, so wie es damals der Fall gewesen ist, wo es sogar erlaubt war, weitere Frauen zusätzlich zu heiraten, wenn die Frau Kinder bekam, damit man eine große Nachkommenschaft erzeugte, was jetzt sicherlich nicht erlaubt ist.”
Er neigte dazu, die Partiarchen zu verurteilen, aber er folgerte aus ihren Praktiken nicht die weitergehende Annehmbarkeit der Polygamie. An anderer Stelle schrieb er: "Zu unserer Zeit und in Übereinstimmung mit dem römischen Brauch, ist es tatsächlich nicht länger erlaubt, eine andere Frau zu nehmen, so dass man mehr als eine lebende Ehefrau hat."[12]
Während der protestantischen Reformation sagte Martin Luther: "Ich für meinen Teil bestätige, dass wenn ein Mann wünscht, zwei oder mehr Frauen zu ehelichen, so kann ich es ihm nicht verbieten, den es widerspricht nicht den Schriften." Er riet Philip von Hessen an, dass dieser seine zweite Ehe geheim halten solle, um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden.[13] Einer der größten Dichter der englischen Sprache und der berühmte englische Puritanier John Milton (1608-1674) schrieb: "Ich habe nicht gesagt:´die Heirat eines Mannes mit einer Frau´ aus Furcht, damit stillschweigend die heiligen Patriarchen und die Säulen unseres Glaubens, Abraham und andere, die mehr als eine Ehefrau besessen haben, mit einer gewöhnlichen Sünde zu belasten; und aus Furcht, dass ich dazu gezwungen würde, diese und ihre ganze Nachkommenschaft, ja die gesamten Söhne Israels, von dem Heiligtum Gottes als illegitim ausschließen zu müssen. Denn im 5.Mose (23:3) steht: ´Es soll auch kein Mischling in die Gemeinde des Herrn kommen; auch seine Nachkommenschaft bis ins zehnte Glied soll nicht in die Gemeinde des Herrn kommen.´”[14] Am 14. Februar 1650 entschied das Parlament in Nürnberg darüber, dass, weil so viele Männer im Dreißigjährigen Krieg gestorben waren, jedem Mann nun erlaubt sei, bis zu zehn Frauen zu heiraten.[15]
Afrikanische Kirchen haben Polygamie längst anerkannt. Sie stellten 1988 in der Lambeth Konferenz fest: "In der afrikanischen Kommunion wurde längst erkannt, dass die Polygamie in Teilen Afrikas und die traditionelle Heirat tatsächlich sowohl gottergebene als auch rechtschaffene Züge aufweisen.”[16] Mwai Kibaki, der christliche Präsident Kenyas, dessen Sieg von der presbyterianischen Kirche ´der Hand Gottes´ zugeschrieben wurde, lebt polygam.[17] Nicht länger unter dem Gesetz der früheren weißen Christen hat Südafrika nach der Apartheid ebenfalls die Polygamie legalisiert.[18]
In ihrer frühen Geschichte hat die ´Church of Jesus Christ of Latter-day Saints´ in den Vereinigten Staaten Polygamie praktiziert. Splittergruppen verließen die Kirche, um damit weiterzumachen, nachdem diese es verbannt hat. Unter diesen Gruppen in Utah, Nachbarstaaten und manchen Kolonien besteht die Polygamie weiter fort; wie auch unter manchen Individuen, die keiner kirchlichen Organisation angehören.
In den Vereinigten Staaten ist die Polygamie illegal, aber sie existiert inoffiziell und schätzungsweise 30.000 bis 80.000 Menschen leben im Westen polygam. Typischerweise handelt es sich bei diesen Familien um mormonische Fundamentalisten oder christliche Gruppen, die die Polygamie als altehrwürdige und biblische Lebensweise aufrechterhalten.[19]
Bevor jemand mit dem Finger auf den Islam und die Muslime deutet, wenn von Polygamie die Rede ist, ist es erforderlich genug Wissen von diesem Thema und seiner Vergangenheit zu haben. Man sollte Praktiken, die sich durch die ganze Geschichte hindurch als angemessen erwiesen haben, nicht mit unseren eingeschränkten Ansichten der Gegenwart verurteilen. Man sollte sich lieber bemühen, das Thema gründlich zu erforschen und – noch viel wichtiger – die Göttliche Leitung ersuchen.
Footnotes:
[1] “Polygamy”, Executive Committee of the Editorial Board und Julius H. Greenstone. . Die Jüdische Encyclopedia. (http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=425&letter=P).
[2] “Pilegesh”, Emil G. Hirsch, Schulim Ochser und the Executive Committee of the Editorial Board. The Jewish Encyclopedia. (http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=313&letter=P).
[3] “Takkanah.” Encyclopædia Britannica from Encyclopædia Britannica Premium Service. (http://www.britannica.com/eb/article-9071020)
Peggy Fletcher Stack, “Globally, Polygamy Is Commonplace,” The Salt Lake Tribune 20 Sep. 1998.
[4] Will Durant, “The Age of Faith: A History of Medieval Civilization -Christian, Islamic, and Judaic - from Constantine to Dante: A.D. 325-1300” (New York: Simon and Schuster, 1950) 380.
[5] Christopher Smith, “Polygamy’s Practice Stirs Debate in Israel,” Salt Lake Tribune 7.Dec.2001.
[6] Peggy Fletcher Stack, “Globally, Polygamy Is Commonplace,” The Salt Lake Tribune 20 Sep. 1998.
[7] Polygamy Reconsidered, S. 140.
[8] Ibid., S. 17.
[9] Matilda Joslyn Gage, “Woman, Church And State,” S. 398.
[10] Peggy Fletcher Stack, “Globally, Polygamy Is Commonplace,” The Salt Lake Tribune 20 Sep. 1998.
[11] St. Augustine, lib. ii. cont. Faust, ch. xlvii.
[12] Deferrari, vol. 27: “Saint Augustine - Treatises on Marriage and Other Subjects” (1955), S. 31, 34, 36, 18.
[13] Matilda Joslyn Gage, “Woman, Church And State,” S. 398-399.
[14] Matilda Joslyn Gage, “Woman, Church And State,” S. 400.
[15] O. Jensen, A Genealogical Handbook of German Research (Rev. Ed., 1980) S. 59.
[16] Robin Gill, “Churchgoing and Christian Ethics” (Cambridge, England: Cambridge University Press, 1999) 249,
[17] Sam Gonza, “Churches Celebrate Kenya’s New President,” Christianity Today 20.Feb. 2003.
Marc Lacey, “Polygamy in Kenya an issue after wives of president revealed,” New York Times 19.Dec. 2003.
[18] Aurelia Dyanti, “Two wives better than one for some South Africa men,” The Star 16.July, 2003.
[19] Cheryl Wetzstein, “Traditionalists Fear Same-Sex Unions Legitimize Polygamy,” The Washington Times 13.Dec. 2000.
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